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Zum Ende der Seite springen Scherbenmeer
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Trailgirl Trailgirl ist weiblich
Bald mit ihrem Linatier vereint <3


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Dabei seit: 22.03.2009
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Scherbenmeer Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Hey fröhlich

Ich wollte euch mal meine Kurzgeschichte "Scherbenmeer" vorstellen fröhlich

[Wer klaut stirbt! x3)

Scherbenmeer


Ich musterte das Mädchen im Spiegel. Das war nicht ich , das wollte ich nicht sein.
Die langen, braunen Haare langen wirr um meine Schultern, meine grünlichen Augen waren voll von Tränen. Sie liefen mir die Wangen hinab und hinterließen brennende Spuren. Eine nach der anderen fielen sie hinab in das Waschbecken, wie geschmolzene Diamanten, denn sie waren wertvoll, die einzigen Vertrauten, die mir geblieben waren. Mein Blick wanderte weiter an meinem Spiegelbild auf und ab. Mein Hals war gerötet, die Spuren des Seiles noch deutlich zu erkennen. Wie ein Tier hatte er mich angebunden und benutzt. Ich hatte es nicht gewollt, niemals Grund zu Annahme gegeben es zu wollen. Langsam hob sich im Spiegel eine Hand mir entgegen. Es war meine eigene, wie ich merkte, als meine Finger gegen das kühle Glas stießen. Es war so hart, kühl und unnachgiebig. Was würde ich dafür geben ebenso zu sein. Meine andere Hand krallte sich in den blanken Marmor. Sie war übersäht von bläulichen Flecken. Ich hatte mich gewehrt, anfangs, bis ich nicht mehr konnte, aufgab – mich aufgab... Auch an meine Handgelenken waren rote Striemen, die mich mein Leben lang an diese Nacht erinnern würden – wenn ich bereit wäre mein Leben weiter zu führen...
Ich strich mit den Fingern die Konturen meiner feinen Lippen auf dem Spiegel nach. Es war, als würde ich seine ekelhaften Lippen auf ewig spüren, den Alkohol schmecken. Ich hatte es nicht gewollt! Wieder verschwamm das Bild vor meinen Augen, der Tränen wegen, genau wie in jener Nacht. Ich hatte geweint und es hatte mir geholfen. Ich hatte sein grobes Gesicht nicht sehen müssen, hatte nicht sehen müssen was er tat, hatte es nicht sehen wollen...
Ich hatte mir oft vorgestellt wie es wohl sein würde, was ich fühlen würde. Aber nie hatte ich in Erwägung gezogen, dass ich so leiden müsste, einen solchen Hass spüren würde, vergewaltigt zu werden... Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Hass sammelte sich in mir. Warum ausgerechnet ich? Ich musste mich mit beiden Händen am Rande des Waschbeckens abstützen um der Wut standzuhalten, die drohte mich zu übermannen. Die Knöchel meiner Hände traten weiß hervor. Ich senkte den Blick und beobachtete wie meine Tränen den Marmor hinunter liefen. Diese wertvollen Freunde verschwanden...
Meine Augen schmerzten bereits von dem vielen Weinen, doch ich konnte nicht aufhören.
Mein Herz war gebrochen, meine Seele zerfetzt und meine Leben zerstört.
Und das alles nur wegen ihm!
In diesem Moment gewannen der Hass und die Wut die Oberhand. Noch fester krallte ich die Hände zusammen, mein Atem ging schwer und schmerzte beinahe. Dann sah ich erneut, diesmal jedoch hasserfüllt, in meine Spiegelbild. Nur für wenige Sekunden, dann griff ich nach der Keramik Vase und schleuderte sie gegen den Spiegel.
„Das bin ich nicht!“ , schrie ich verzweifelt, während der Spiegel klirrend zerbrach. Die Tränen, die für diesen kurzen Moment des Hasses versiegt waren strömten nun unaufhörlich mein Gesicht hinab und zeigten meine Verletzlichkeit und Verzweiflung.
„Das will ich nicht sein...“ , wimmerte ich. Schluchzer durchzuckten meinen Körper und ich sank auf die Knie, hinab in das Scherbenmeer. Es schnitt mir die Haut auf, doch ich spürte diesen äußerlichen Schmerz nicht. Zu groß war jener in meinem Inneren. Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen und drehte mich mit geschlossenen Augen auf den Rücken. Die Scherben schnitten durch den dünnen Stoff meines Oberteils und kratzten über meinen Rücken. Immer noch mit geschlossenen Augen tastete ich über die zerstreuten Teile des Spiegels, über die Scherben meines zerbrochenen Lebens.
Es tat kaum weh, als die scharfen Kanten meine Handflächen aufschnitten.
Mein Körper war wie betäubt.
Ich nahm eine der Scherben in die Hand, hielt sie vor mein Gesicht und öffnete die Augen. Als die Tränen, die sich gesammelt hatten, langsam versiegten, musterte ich das kleine Stück Glas.
Im Licht der grellen Halogenlampen funkelte es in allen Farben, als hätte ein Maler es kunstvoll bemalt. Ich wand es mehrmals und besah es mir von allen Seiten, wie ein kleines Kind einen funkelnden Stein, etwas Besonderes, das es gefunden hatte.
Und das war sie, diese Scherbe, denn sie war wie ich.
Zerbrochen, aus dem Zusammenhalt gerissen, zerstört, nicht weiter brauchbar und doch bewahrte sie ihren Glanz.
Irgendwo tief in mir drin musste ich doch noch die Alte sein, diesen Glanz auch noch besitzen. Das Mädchen sein, das Freude am Leben hatte. Jenes, dass niemals aufgegeben hatte und für das gekämpft hatte, was es erreichen wollte. Hatte er mir wirklich all dies genommen? Die unbekümmerten Gedanken, mit denen ich versuchte mir einzureden, dass alles doch gar nicht so schlimm war, wurden mit einem Mal vertrieben, als sich ein Teil meines Gesichts im Glas spiegelte. Meine Augen waren verlassen von jeglichem Licht und Glanz, meine Haut war blass und zerkratzt...
Ein dünner, roter Faden verlief über diesen kleinen Teil meines Spiegelbildes.
Es war das Blut, dass aus meiner Handfläche quoll. Abstruser Weise löste es eine Art Freude in mir aus zu sehen, wie das Blut langsam die Scherbe hinab lief. Denn es bedeutete, dass ich noch lebte! Doch schon im nächsten Moment bereute ich, dass es so war, denn die Bilder der vergangenen Nacht drangen brutal in meinen Kopf und nisteten sich vor meinem inneren Auge ein. Ich versuchte sie loszuwerden. Ich wollte nicht, dass meine Erinnerungen zurückkamen. Ich wollte es nicht sehen! Schluchzend wand ich mich in den Scherben, wieder beachtete ich die Schmerzen und Schnitte nicht. „ Ich will doch einfach nur vergessen!“ ,sagte ich mir wimmernd, doch mir wurde klar, dass ich das niemals können würde. Noch einmal besah ich mir das scharfe Glas mit leerem Blick. Es war eine Klinge, ein Freund? Einer der mich erlösen könnte? Ja...
Mein Entschluss stand fest, auch wenn ich es selbst noch nicht recht zu glauben wagte.
Ich atmete tief ein und wollte einfach nur noch fliehen aus dieser grausamen Welt. Ich ließ die scharfe Kante der Scherbe meinen Unterarm hinabschneiden. Vorher hatte ich keinen Schmerz verspürt. Hatte ich vielleicht deshalb den Mut gefasst? Doch nun spürte ich jeden einzelnen Schnitt – und den Schmerz sehr viel intensiver.
Das Blut rann meinen Arm hinab und färbte meine blasse Haut rot. Ich keuchte, meine geschlossenen Lider zuckten bei jedem weiterem Schnitt. Bald würde es soweit sein und ich könnte frei sein. Jeder Schmerz war mir recht, Hauptsache er würde bedeuten, dass ich vergessen würde... Nichts könnte so schmerzvoll sein, wie das, was er mir angetan hatte und ich nun fühlte. Trotzdem fiel es mir schwer. Ich hatte mich noch nicht mal verabschiedet. Niemand würde wissen warum, ich dort lag auf den Fließen, umgeben von Blut, mein Körper kalt und leblos, verlassen... Doch ich fuhr fort. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.
Musste es mir das Leben denn unbedingt so schwer machen?
Die Scherbe bahnte sich ihren Weg hinab, doch kurz vor der Stelle, an der meine Pulsschlagadern bläulich unter meiner Haut hervor schimmerten hielt ich inne und riss die Augen erschrocken auf, starrte in das helle Licht der Deckenlampe. Mir kamen Zweifel.
War es richtig was ich tat?
War es richtig mich zu erlösen, die anderen jedoch im Schmerz der Trauer zurückzulassen?

Von Saskia Wagner


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i feel like a hero,
and you are my heroine.



Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Trailgirl: 06.04.2009 12:28.

06.04.2009 12:28 Trailgirl ist offline E-Mail an Trailgirl senden Beiträge von Trailgirl suchen Nehmen Sie Trailgirl in Ihre Freundesliste auf
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