Gegen Bilderklau - Das Original

Registrierung Mitgliederliste Teammitglieder Suche Häufig gestellte Fragen Statistik Chat Karte Zur Startseite

Gegen Bilderklau - Das Original » Prosa, Epik, Kunst » Schreibecke » Geschichten » Traumtänzer I Kurzgeschichte » Hallo Gast [Anmelden|Registrieren]
Letzter Beitrag | Erster ungelesener Beitrag Druckvorschau | Thema zu Favoriten hinzufügen
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Zum Ende der Seite springen Traumtänzer I Kurzgeschichte
Autor
Beitrag « Vorheriges Thema | Nächstes Thema »
Rennpferd
Mitglied


images/avatars/avatar-12337.jpg

Dabei seit: 15.02.2005
Beiträge: 1.101

Text Traumtänzer I Kurzgeschichte Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Ich habe eine Kurzgeschichte geschrieben und würde mich über viele Kommentare und Kritiken freuen. Lg Rennpferd
Ach ja: Die Geschichte hat nichts mit oder anderen Personen, die ich kenne, zu tun!
-------------------------------------------------------
Traumtänzer

Mein Name ist Joceline. Anscheinend ist das so schwer, denn auf Turnieren werde ich entweder als „Schosslinn“ oder als „Joseline“ aufgerufen. Wie auch immer, ich erzähle euch jetzt die Geschichte von Traumtänzer. Traumtänzer war ein kaffeebraunes Vollblut, ein Rennpferd mit grossem Potenzial. Er war, ach warum erzähle ich „er war“ ?! Fangen wir lieber gleich von vorne an, damit ich keinen mit „ist“ und „war“ verwirre.

Traumtänzer kam in unsere Klinik, als mein Vater gerade eröffnet hatte. Zwei Tage nach der Feier klingelte es nachts beim Notfalltelefon. Es war ein sehr aufgeregter Herr namens Pistenholz. Er besass das Gestüt Pistenaue, und eines seiner Pferde war erkrankt. Traumtänzer hatte eine Kolik, wenn nicht eine Darmverschlingung. Auf jeden Fall musste das Pferd sofort her. Das Notfallteam kam auf die Beine und Traumtänzer war innert 30 Minuten an Ort und Stelle. Der Wallach sah wirklich schlecht aus. (Damals hatte ich Ferien und durfte mir diesen komplizierten Fall auch angucken.) Er war bachnass, und man konnte nicht gerade behaupten, dass er „stand“. Er hing eher am Strick, den Herr Pistenholz hielt. Unter grösster Eile wurde Traumtänzer operiert. Es war eine schlimme Kolik, und wer aktuell ist, weiss, dass es heutzutage immer seltener Kliniken gibt, die Koliken operieren. Schliesslich braucht es dazu ein Notfallteam, das 24 Stunden rund um die Uhr einsatzbereit ist. Am nächsten Morgen, als ich Traumtänzer besuchen ging, erschrak ich zutiefst: Er war noch immer halb groggy und sah sehr ungesund aus. Mit einigen Bedenken sah ich seiner Zukunft entgegen. Es war zwar „nur“ eine Kolik gewesen, aber man konnte nie wissen... Mein Vater beruhigte mich: Das sei nur eine Frage der Zeit, und schliesslich sei Traumtänzer ja ein zähes Tier.
Wie auch immer, die Zeit verging und so durfte Traumtänzer bald wieder nach Hause. Ich war sehr froh und versprach Herrn Pistenholz, ihn bald einmal besuchen zu kommen.

Endlich hatten meine Eltern Zeit, mich zu Herr Pistenholz zu fahren. Er wohnte ausserhalb der 20 km entfernten Stadt, und das Gestüt zu finden, war eine wahre Meisterleistung. Nach etwa dreimaligem Verfahren fanden wir das Gestüt endlich. Es war wunderschön: Die grossen Paddockboxen standen links neben dem Haus, und rechts fand man nur Weiden. Hinter dem Haus waren die Halle und die Führmaschine. Zielstrebig ging ich auf das Haus zu. Ich klingelte, aber niemand öffnete. Also beschloss ich, in den Stall zu gehen. Das war ja wohl nicht verboten, schliesslich hatte Herr Pistenholz mich eingeladen! Im Stall fand ich eine junge, etwas schüchterne Pferdepflegerin. „Der Chef ist heute nicht hier. Er ist auf einer Auktion.“, erwiderte sie auf meine Frage, wo Herr Pistenholz denn sei. „Ach so, danke für die Auskunft. Dann gehe ich wohl besser wieder.“, wollte ich mich verabschieden. „Halt, warte noch. Soll ich dir das Gestüt zeigen? Ich habe sowieso nichts zu tun..“, bot mir die Pferdepflegerin an. Sie hiess Claire. Claire zeigte mir alle Pferde und erzählte mir ihre Geschichten. Als wir am Ende der Stallgasse standen, wusste ich es. Schon vorher fand ich etwas komisch. Traumtänzer war gar nicht hier!

„Traumtänzer? Der ist heute auf der Auktion. Herr Pistenholz will ihn verkaufen, mehr kann man wohl nicht mehr aus dem Pferd machen. Wer weiss, wo der arme Kerl landet.“ Zutiefst erschrocken schaute ich Claire an. Anscheinend war Traumtänzer nicht mehr das Pferd, welches er vorher gewesen war. „Wo ist diese Auktion?“, fragte ich. Claire erklärte mir den Weg und ich rief meine Eltern an. „Viel Glück!“, rief mir die nette Pflegerin noch nach. Im Auto begann ich fieberhaft zu überlegen. Wie konnte man den hübschen Wallach bloss retten?

Als wir bei der Auktion ankamen, hatten sich meine Fragen schon erledigt. Herr Pistenholz stand mit Tränen in den Augenwinkeln am Rande des Geschehens. Als er mich und meine Familie sah, wandte er sich ab. „Er war nicht mehr zu retten. Traumtänzer hatte eine Vereiterung im Bauch, es hatte sich wohl etwas entzündet. Mein hiesiger Tierarzt, Dr. Mertens, versuchte alles. Wie sie sehen hat es nichts genutzt. Traumtänzers Magen wurde angegriffen.“ Ich wusste genug. Viele Vollblüter hatten schon wegen des Rennbetriebs Magenprobleme, wenn dieser nun auch noch verletzt wurde, war es schon recht schwierig, jemals wieder ein gutes Rennpferd zu haben. Auf meine Nachfrage erzählte Herr Pistenholz weiter:“ Ja, Joceline, er hätte noch eine Chance gehabt, wäre er nicht eines Tages auf der Weide gestürzt. Das gab ihm den Rest. Nun hoffe ich, dass Traumtänzer in eine nette Familie kommt.“ Ich klammerte mich an jeden Strohhalm, den sich mir noch bot. Vielleicht war es ja wirklich so? Ohne dass meine Eltern es bemerkten, stürzte ich mich ins Getümmel. Die Tierauktion war gross, alle Bauern und Züchter der umliegenden Städte waren gekommen. Plötzlich entdeckte ich Traumtänzer. Er wurde gerade von einem Mann in einen Transporter verladen. „Hey, warten Sie!“, rief ich und rannte zum Transporter. Der Mann hörte mich nicht und stieg ein. So schnell ich konnte rannte ich zum Transporter hin. Als es nur noch etwa fünf Meter waren, fuhr der Transporter an. „Neeein! Warten Sie! Bitte!“ Aber der Mann hörte mich natürlich nicht. Sanft rollte der Transporter davon, aus dem man das Hufepoltern von Traumtänzer hörte...

Mit Tränen in den Augen setzte ich mich auf eine Bank nahe des Auktionsringes. Was sollte ich bloss tun? Traumtänzer war weg, und zwar für immer. Innerlich rekonstruierte ich noch einmal Traumtänzers Werdegang. Zuerst kam die Kolik, dessen Narbe wohl nicht richtig verheilte. Aus der Entzündung wurde ein Infekt, und nicht viel später wurde der Magen angegriffen. Als wäre das nicht schon genug, stürzte der Wallach auch noch auf der Weide und zerrte sich die Sehne vorne links.
In seiner Verzweiflung hatte Herr Pistenholz das ehemalige Rennpferd auf die Auktion gebracht. Wer es kaufte, blieb unbekannt. Ich kannte diese Auktionen, hier lief alles sehr schnell ab. Die Leute hatten wenig Zeit und waren froh, wenn es vorwärts ging. Doch Traumtänzer konnte überall sein. Vielleicht wurde er in die Metzgerei gebracht. Vielleicht hatte ihn aber auch eine nette Familie gekauft, die Mitleid mit ihm hatte. Doch das erschien selbst mir ziemlich unwahrscheinlich.

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich weinte. Bald schon fanden mich meine Eltern, wir verabschiedeten uns von Herr Pistenholz und fuhren dann schweigend nach Hause.


Seit diesem Vorfall ist wiederum ein Weilchen vergangen. Ich habe alle Bauern in der Nähe gefragt, alle Höfe im Umkreis abgeritten, doch keiner konnte mir weiterhelfen. Ich setzte eine Anzeige in die Zeitung, sogar ins Internet, und rief beim Radio an. Kurz gesagt, ich tat alles, um Traumtänzer wieder zu finden.
Doch es hatte alles nichts genützt. Niemand hatte sich gemeldet, keine einzige Person. Mit der Zeit verging der Schmerz sogar ein bisschen, und manchmal vergass ich den Wallach für ein paar Tage. Doch immer wieder wurde ich schmerzhaft an ihn erinnert. Mal war es mein Bruder, „Joceline, dieses Pferd sieht aus wie Traumtänzer!“, mal war es eine Rennzeitung :“Lokalmatador Traumtänzer nicht mehr auf der Bildfläche“. Und manchmal rutschte das Foto von ihm unter meinem Kopfkissen hervor, und ich konnte die nächsten drei Tage an nichts anderes mehr denken.

Es war eine Anzeige im hiesigen Käseblatt, welche mich stutzig machte. Ein neuer Reiterhof eröffnete ganz in der Nähe, und auf dem Foto der Werbung waren mehrere Pferde zu sehen. Darunter auch ein kaffeefarbenes, schlankes Pferd. Kaum waren die Leute eingezogen, ritt ich zum Hof hinüber. „Traumtänzer? Wieso suchst du nach ihm?“, fragten sie mich. Hoffend erzählte ich ihnen alles über meine Suche. „Ach“, meinte die Frau dann etwas geärgert, „er hat uns immer nur Probleme bereitet. Früher hatten wir eine Reitschule in Dieppe. Nach einer gewissen Zeit war Traumtänzer wieder halbwegs fit, und er konnte im Unterricht eingesetzt werden. Doch eines Tages warf er eine Schülerin ab, und sie wurde an der Wirbelsäule getroffen. Zum Glück war sie nicht gelähmt- doch der Vorfall machte die Runde, und wir verloren fast alle Kunden. Traumtänzer wurde getötet, weil es die gerichtliche Verhandlung so befahl. Und wir zogen dann um, und jetzt sind wir hier!“ Die Frau hatte Tränen in den Augen, und ihr Mann blickte mich etwas anklagend an. Ich musste mich sehr beherrschen, nicht loszuheulen. Dankend verabschiedete ich mich und ritt nach Hause.

Nun, das war Traumtänzers Geschichte. Seitdem ich seine letzten Besitzer getroffen habe, ist ein Jahr vergangen. Ein Jahr voller schmerzhafter Gedanken an das Pferd, doch auch voller Zukunftsvisionen und Träume und Pläne. Ich habe die Geschichte beinahe überwunden. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass ich Traumtänzer vergessen werde. Jetzt weiss ich auch meinen Traumberuf: Ich möchte verletzen Rennpferden helfen. Sie pflegen und aufpäppeln, bis sie wieder richtig gesund sind. Und wenn die Pferde nicht mehr für Rennen eingesetzt werden können, werde ich sie an gute Plätze vermitteln. Doch was auch immer geschieht: Traumtänzer wird für immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Rennpferd: 15.01.2006 17:57.

15.01.2006 17:56 Rennpferd ist offline E-Mail an Rennpferd senden Beiträge von Rennpferd suchen Nehmen Sie Rennpferd in Ihre Freundesliste auf
Rennpferd
Mitglied


images/avatars/avatar-12337.jpg

Dabei seit: 15.02.2005
Beiträge: 1.101

Themenstarter Thema begonnen von Rennpferd
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

"Wecke" gerade alte Beiträge von mir auf. Wie findet ihr die Geschichte? Gut? Doof?
Würde mich über Kommentare freuen.

lg rennpferd
13.03.2006 22:09 Rennpferd ist offline E-Mail an Rennpferd senden Beiträge von Rennpferd suchen Nehmen Sie Rennpferd in Ihre Freundesliste auf
gioenu gioenu ist weiblich
Marco I Love You!!! <3


images/avatars/avatar-22316.jpg

Dabei seit: 07.05.2005
Beiträge: 2.024
Herkunft: Schweiz

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

ich finde die geschichte eigentlich sehr schön, wenn auch mit traurigem ende..... fröhlich hört sich an wie mein verstorbenes traumpferd.....

__________________

14.03.2006 17:58 gioenu ist offline E-Mail an gioenu senden Homepage von gioenu Beiträge von gioenu suchen Nehmen Sie gioenu in Ihre Freundesliste auf
Rennpferd
Mitglied


images/avatars/avatar-12337.jpg

Dabei seit: 15.02.2005
Beiträge: 1.101

Themenstarter Thema begonnen von Rennpferd
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Danke smile Ja, ich wollte mal eine Geschichte ohne Happy End machen..
14.03.2006 22:01 Rennpferd ist offline E-Mail an Rennpferd senden Beiträge von Rennpferd suchen Nehmen Sie Rennpferd in Ihre Freundesliste auf
Rennpferd
Mitglied


images/avatars/avatar-12337.jpg

Dabei seit: 15.02.2005
Beiträge: 1.101

Themenstarter Thema begonnen von Rennpferd
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Noch jemand, der sich dafür interessiert?
19.03.2006 14:34 Rennpferd ist offline E-Mail an Rennpferd senden Beiträge von Rennpferd suchen Nehmen Sie Rennpferd in Ihre Freundesliste auf
Baumstruktur | Brettstruktur
Gehe zu:
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Gegen Bilderklau - Das Original » Prosa, Epik, Kunst » Schreibecke » Geschichten » Traumtänzer I Kurzgeschichte

Impressum

Forensoftware: Burning Board, entwickelt von WoltLab GmbH