Gegen Bilderklau - Das Original

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Lycka
19'11'2010


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Hej zusammen,

nachdem meine erste Kurzgeschichte völlig überraschend von einem recht bekannten Verlag veröffentlicht worden ist, versuche ich mich nun an ein paar weiteren.
Die folgende wird vermutlich nicht vielen von euch gefallen, aber ich hoffe, trotzdem ein paar positive Kommentare dazu zu bekommen. Viel Spaß beim Lesen.

Countdown


Everybody on stage! Er hasste diese Lautsprecherstimmen, die jedes Mal viel zu schrill und zu aggressiv an seine Ohren drangen. Gitarren, Bässe, Schlagzeuge, all das konnte ihm gar nicht laut genug sein, doch wenn Menschen zu laut sprachen, wäre er am liebsten ausgetickt.
Genauso war es mit all den Fans, die vor der Bühne standen und schon viele Stunden zuvor an den Eingängen der Halle gewartet hatten. Sie waren doch nichts weiter als schwitzende, exzessive Personen, die nur darauf warteten, ihn in die Hände zu bekommen und zu zerfleischen, ihn in Stücke zu reißen und unter sich aufzuteilen.
Er schüttelte sich. Seine Kehle war trocken geworden und er hatte eine Gänsehaut, wie nahezu vor jedem Konzert. Die Wasserflasche neben ihm war längst leer, sodass er sich nun gerne eine neue geholt hätte, aber die Zeit drängte. Er würde wohl trotz trockener Kehle und flauem Gefühl im Magen auf die Bretter müssen, die die Welt bedeuteten. Wie er diese Bezeichnung hasste. Gab es nicht Dinge im Leben, die unendlich viel mehr wert waren, als vor diesen Leuten zu stehen und zu singen? Seine Familie, seine Freunde, Liebe, Vertrauen und Geborgenheit?
Zitternd ging er auf seine Musiker zu, wurde grinsend begrüßt und rang sich auch selbst ein schwaches Lächeln ab, obwohl ihm zum Heulen zumute war. Früher oder später würde ihn das Lampenfieber umbringen.
Nur noch ein paar Sekunden bis zum Auftritt. Langsam bildeten sich Schweißtropfen auf seiner Stirn und seiner Oberlippe.
Zehn. Er wagte einen Blick hinter den Vorhang. Die Halle war offensichtlich ausverkauft, das erkannte er trotz der blendenden Scheinwerfer, deren Licht zu grell, zu warm war. Und überall diese schreienden Menschen. Warum konnten sie nicht wenigstens ein kleines bisschen leiser sein?
Neun. Ein junges Mädchen in der ersten Reihe hielt ein Schild in die Höhe. Ich liebe dich. Er schüttelte den Kopf und seufzte. In diesem Alter liebte die Kleine vielleicht ihre Kuscheltiere, aber ganz bestimmt nicht ihn, einen Mann Ende zwanzig, schwarzhaarig, mit strahlend blauen Augen und einem Bartansatz. Zum Rasieren kam er bei all dem Stress auf Tour schließlich schon seit Tagen nicht mehr.
Acht. Weiter hinten entdeckte er ein paar Typen, etwa in seinem Alter. Sie waren jetzt schon sturzbesoffen und grölten so laut, dass er meinte, es bis hier zu hören, auch wenn Tausende andere im Saal waren. Irgendwann kippte einer von ihnen versehentlich sein Bier über sein T-Shirt und fing hysterisch an zu lachen.
Sieben. Daneben eine alte Frau, die seine Großmutter hätte sein können. Was wollte die denn hier? Alle redeten immer davon, es sei toll, dass er Musik für sämtliche Generationen mache, doch er empfand das völlig anders. Solche wie sie waren es doch, die die Schuld daran trugen, wenn während eines Gigs irgendwann eine Stimmung wie im Altersheim aufkam. Kein Wunder. Das entsprechende Publikum war ja schon hier.
Sechs. Hinter ihm wurde gewitzelt. Warum konnten diese Idioten nicht ein einziges Mal die Klappe halten? Er hatte es satt, auf der Bühne neben ihnen zu stehen und so zu tun, als wäre er mit ihnen befreundet, doch noch unerträglicher war es im Tourbus. Nie konnte er alleine sein, ständig redete jemand mit ihm, ohne dass er wirklich zugehört hätte, und außer Autos, Alkohol und Sex kannten sie keine Themen. Vielleicht sahen sie ihm manchmal heimlich beim Pinkeln zu, weil sie es geil fanden.
Fünf. Die Luft war viel zu stickig, er konnte kaum noch atmen. Mittlerweile lief der Schweiß ihm in wahren Bächen über den Körper und er ekelte sich vor sich selbst, aber frühestens in zwei Stunden würde er endlich unter die Dusche können. Wenn doch nur dieses Konzert schon vorüber wäre.
Vier. Es war, als hätte jemand versucht, ihn zu ersticken. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Wand neben sich, versuchte, sich zu beruhigen, was natürlich nicht wirklich klappte, und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, landete aus den vorderen Reihen ein BH auf der Bühne. Ihm wurde schlecht.
Drei. Der Manager legte ihm aufmunternd eine Hand auf die Schulter. Sein Schützling musste da raus, egal, was passierte, denn schließlich brachte es eine ganze Menge Geld. Was musste er sich auch immer so dumm anstellen. Es war doch nichts dabei, ein Mikrofon in der Hand zu halten und ein wenig vor sich hin zu trällern.
Zwei. Immer mehr machte sich die Unruhe unter den Musikern breit. Hier wurde noch schnell etwas getrunken, da kaute einer auf seinen Nägeln und dort küsste ein Dritter seinen Glücksbringer. Irgendeinen dämlichen Frosch aus Ton, grün lackiert und mit großen Glasaugen. Diese seltsamen Rituale der anderen hatte er noch nie verstanden. Ihn hätte sowas bloß noch nervöser gemacht.
Eins. Einer nach dem anderen betraten sie jetzt endlich die Bühne, suchten sich den kürzesten Weg zu ihren Instrumenten und begannen, die ersten Takte zu spielen. Das Publikum tobte, schrie und war kaum noch unter Kontrolle zu halten, was der Band richtig zu gefallen schien.
Er war wie gelähmt, realisierte die Situation nicht, stand immer noch stocksteif hinter der Bühne. Verpasste seinen Einsatz, wurde vom Manager entsetzt angestarrt und setzte sich endlich in Bewegung, jedoch in genau die andere Richtung. Er grinste. Jahrelang hatte er dieses Martyrium über sich ergehen lassen, doch damit war jetzt endgültig Schluss. Nie wieder Lautsprecherstimmen, verstimmte E-Gitarren und Massenhysterien. Er war frei.
Als er die Halle verließ und in den Regen trat, fing er an zu lachen.

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Stockholm i mitt hjärta.

07.09.2008 15:25 Lycka ist offline E-Mail an Lycka senden Beiträge von Lycka suchen Nehmen Sie Lycka in Ihre Freundesliste auf
Emma_Sheltie Emma_Sheltie ist weiblich
Mitglied


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wow!!!! die geschichte is echt gut, und man kann richtig mitfühlen und so... echt super geschrieben, ich mag den stil!!!

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Urlaubsreif!

Wenn man beginnt, seinem
Passfoto ähnlich zu sehen,
sollte man in den
Urlaub fahren.


10.09.2008 18:48 Emma_Sheltie ist offline E-Mail an Emma_Sheltie senden Beiträge von Emma_Sheltie suchen Nehmen Sie Emma_Sheltie in Ihre Freundesliste auf Fügen Sie Emma_Sheltie in Ihre Kontaktliste ein
Hornisse Hornisse ist weiblich
Dum amo vivo


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Gefällt sehr gut.

Einzig allein die Formulierung: "was natürlich nicht wirklich klappte" erscheint mir etwas unrung und zu umgangsprachlich, passt für mich stilistisch nicht zum rest, aber das lässt sich ja problemlos beheben.
Lob meinerseits!

Würde gern mehr von dir lesen, wie heißt denn deine veröffentlichte Geschichte und von welchem Verlag wurde sie herausgebracht?

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Life isn't about waiting for the storm to pass. It is about learning how to dance in the rain.

10.09.2008 19:29 Hornisse ist offline Beiträge von Hornisse suchen Nehmen Sie Hornisse in Ihre Freundesliste auf
Lycka
19'11'2010


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Hallo ihr zwei,

erst mal vielen Dank für eure Bewertungen smile
Hätte ehrlich nicht damit gerechnet, dass die Geschichte hier so gut ankommt.

Was die Formulierung angeht, hast du Recht, Hornisse, die werd ich bei Gelegenheit noch mal ändern Augenzwinkern
Die veröffentlichte Geschichte heißt schlicht und einfach "Stockholm" und wurde, zusammen mit Kurzgeschichten anderer Autoren, vom Wissner-Verlag herausgebracht. Ich weiß nicht, ob der dir was sagt; hier in Augsburg und Umgebung zählt er auf jeden Fall zu den bekannteren Augenzwinkern

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Stockholm i mitt hjärta.

10.09.2008 20:25 Lycka ist offline E-Mail an Lycka senden Beiträge von Lycka suchen Nehmen Sie Lycka in Ihre Freundesliste auf
Lycka
19'11'2010


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Will niemand mehr was dazu sagen? unglücklich

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Stockholm i mitt hjärta.

15.09.2008 14:42 Lycka ist offline E-Mail an Lycka senden Beiträge von Lycka suchen Nehmen Sie Lycka in Ihre Freundesliste auf
Luthien Luthien ist weiblich
Polly Perle


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pushen wirkt immer so verzweifelt Augen rollen

Also: Am Anfang hat man das Gefühl, dass du die Abschei eines Menschen gegen andere Menschen oder was auch immer beschreiben willst. Aber dann bin ich mir nicht wirklich sicher gewesen, weil es nicht überzeugt. Zu wenig bissig.

Das mit den zehn Sekunden find ich grundsätzlich ne interessante / gute was auch immer idee. Ist aber viel zu lang gezogen, man bekommt den Eindruck, dass viel mehr zeit vergangen ist.

Er erkennt das Mädchen, schätzt das Alter ein, liest das SChild, schüttelt den Kopf und seufzt - alles in einer Sekunde?

[B]Irgendwann kippte einer von ihnen versehentlich sein Bier über sein T-Shirt und fing hysterisch an zu lachen.[/B]
Er sieht sie und irgendwann schüttet der andere ein bier übers t-shirt - hört sich eindeutig länger als eine sekunde an..

Stimmung wie im Altersheim - das hiesse doch Ruhe, was bedeuten müsste, dass ihm das mehr entspricht, wenn er sich vorher wegen dem Geschrei nervt.

Hinter ihm wird gewitzelt - darüber regt er sich eine sekunde lang auf. nicht gerade viel.

Zitat:
Er lehnte sich mit dem Rücken an die Wand neben sich, versuchte, sich zu beruhigen, was natürlich nicht wirklich klappte, und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, landete aus den vorderen Reihen ein BH auf der Bühne. Ihm wurde schlecht

In einer Sekunde lehnt er sich zurück, schliesst die Augen, versucht sich zu beruhigen (was allein schon ein bis zwei sekunden in Anspruch nehmen würde) und öffnet sie dann wieder. in diesem moment fliegt ein Bh auf die bühne und er hat noch zeit, damit es ihm schlecht wird? wohlgemerkt, alles in einer sekunde - das wär mir auch zu stressig...


um mal so das zu nennen, was mir ins auge gesprungen ist, mehr mag ich grad nicht schreiben.
Ich finds halt nicht wirklich gut durchdacht und vielleicht solltest du dir die situation etwas überlegen. viel zu lang oder in die länge gezogen für zehn sekunden passiert zu viel. stopp mal die zeit und schau, was du da alles hinkriegst!

Insgesamt finde ich es eher fade, weil sich irgendwie nichts heraushebt, kein wirklicher Stil, halt einfach so eine Aufzählung. Zehn Sekunden müssten hektischer sien, finde ich.

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Nix zu sagen Augen rollen

15.09.2008 20:46 Luthien ist offline Beiträge von Luthien suchen Nehmen Sie Luthien in Ihre Freundesliste auf Fügen Sie Luthien in Ihre Kontaktliste ein MSN Passport-Profil von Luthien anzeigen
Lycka
19'11'2010


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Erst mal danke für deine ausführliche Bewertung.
Ich bin der Meinung, dass du beim Lesen zu sehr an den "Sekunden" klebst. Klar soll der Countdown diese irgendwo darstellen, aber es geht ja nicht vorrangig um die Zeit die verstreicht, sondern um seine Handlungen währenddessen. Und diese sind meiner Meinung nach größtenteils schon in einer Sekunde möglich, da er seinen Blick stetig ja über die Menge schweifen lässt, der an ein paar speziellen Szenen hängen bleibt. Man braucht nicht lange, um ein Mädchen zu entdecken, die drei Wörter "Ich liebe dich" zu lesen und dabei zu seufzen, um nur mal auf eines deiner heraus gegriffenen Beispiele einzugehen.

Desweiteren ist in der Geschichte, so wie ich das sehe, durchaus ein gewisser Stil zu erkennen (den Emma_Sheltie und Hornisse ja auch gefunden zu haben scheinen), aber das ist wohl Geschmacks-, bzw. Ansichtssache.

Wie gesagt, trotzdem danke.

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Stockholm i mitt hjärta.

16.09.2008 14:19 Lycka ist offline E-Mail an Lycka senden Beiträge von Lycka suchen Nehmen Sie Lycka in Ihre Freundesliste auf
Luthien Luthien ist weiblich
Polly Perle


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Nun, das beispiel was du dir da rausgesucht hast, war auch am wenigsten extrem Augenzwinkern

Jedenfalls, ich finde WENN du das mit den Sekunden schon machst, müsste es auch mit dem sonstigen Stil der Geschichte übereinstimmen, sonst ist es etwas lächerlich und sinnlos, einen Countdown einzubauen...

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Nix zu sagen Augen rollen

17.09.2008 15:48 Luthien ist offline Beiträge von Luthien suchen Nehmen Sie Luthien in Ihre Freundesliste auf Fügen Sie Luthien in Ihre Kontaktliste ein MSN Passport-Profil von Luthien anzeigen
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