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Geschrieben von .tropicana am 11.08.2011 um 10:28:

  Im 7. Himmel

Im 7. Himmel

„Kommst du, Emma? Wir müssen los!“ Ich griff meine Handtasche und zog mir meine Jacke über.
„Warte, Mama, ich muss noch eben meinen Teddy suchen!“
Ich seufzte. Meine Tochter war eine Weltmeisterin, wenn es darum ging, zu trödeln. Ich lehnte mich gegen die weiße Wand des Flurs und ließ mich hinunterrutschen, bis ich schließlich auf den frisch polierten Dielen saß. Ich schaute durch die offene Küchentür, und sah meinem Ehemann Max dabei zu, wie er sich einen Kaffee machte.
Die Sonne schien durch die alte Kastanie vor dem Fenster, und die Blätter spielten mit dem Licht.
„Hier bin ich!“ Emma sprang aus ihrem Kinderzimmer und ich erschrak. Sie lächelte mich an. Sie sah furchtbar niedlich aus, mit ihrem kleinen Rucksack auf dem Rücken, dem Teddybären in der Hand und den zwei winzigen Zöpfen, die ich ihr geflochten hatte.
Ich stand auf, doch da fiel Emma noch etwas ein, was sie unbedingt erledigen musste, bevor sie in den Kindergarten gehen konnte.
„Ich muss noch kurz Papa Tschüss sagen!“
Ich seufzte erneut. „Ich gehe schon mal vor und warte unten am Auto auf dich. Vergiss nicht, die Haustür hinter dir zuzumachen!“
Ich öffnete unsere Tür und stand im leeren, farblosen Flur unseres Mietshauses. Ich nahm beim Heruntergehen der Treppe zwei Stufen auf einmal, einfach so, weil sich das so anfühlte, als ob ich ein kleines, sorgloses Kind wäre. Fehlten nur noch zwei Zöpfe …
Ich überprüfte den Briefkasten, bevor ich das Haus endgültig verließ, aber wie immer hatte die Post Verspätung. Man hat uns beim Einzug vor einigen Jahren gesagt, die Zeitung käme immer um sechs Uhr, doch mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, sie erst abends zu lesen – wenn wir beide von der Arbeit zurück waren und auf dem Sofa lagen. Immerhin haben wir dann nicht so hohe Stromrechnungen, weil der Fernseher jeden Abend läuft.
Ich schloss unseren kleinen Smart auf, mit dem ich jeden Morgen Emma zum Kindergarten brachte und anschließend zur Arbeit fuhr. Ich war bei einem Reisebüro angestellt und verdiente ganz gut, genauso wie Max. Ich setzte mich in das kleine, niedliche Auto und betrachtete nachdenklich unsere Straße durch die Heckscheibe. Alles war so ruhig und schien so zufrieden. Die Bäume trugen tiefgrüne Blätter und wiegten sich rauschend im Wind, und eine paar bunte Blumen blühten in den Beeten um die Wurzeln herum. Wieder riss mich meine Tochter aus meinen Gedanken, als sie donnernd die Tier zuschlug und zum Auto gestürmt kam.
„Los, sonst komme ich zu spät!“, kommandierte sie, und ich fuhr los.
Auf dem Weg, der nie länger als zehn Minuten dauerte, löcherte sie mich mit Fragen. Warum sie denn in den Kindergarten müsse, warum wir ausgerechnet in dieser Stadt leben, ob man alle Leute mögen müsse und was sie sich wohl zum Geburtstag wünschen solle.
Ich war es schon gewohnt, dass sie neugierig war, aber an diesem sonnigen Morgen war ihr Rumgefrage eher lästig, und so war ich froh, als sie ausstieg und mir auf dem Weg zum Eingang des Kindergartens zuwinkte. Als sie im Gebäude verschwand, startete ich wieder den Wagen und fuhr zur Arbeit.
Dort erwartete mich meine Arbeitskollegin Nina mit niedergeschlagenem Gesichtsausdruck. Ich betrat den Laden zwar gerade erst, aber ich hatte es bereits durch das ausladende Schaufenster gesehen. Als ich nun im Reisebüro stand, fragte ich sie: „Was ist los?“
„Ach. Nichts.“ Sie senkte ihren Blick und tat so, als ob sie in einem ihrer Aktenordner etwas nachlas, doch ich wusste, dass sie nur wartete, bis ich zu meinem Schreibtisch ging.
„Doch. Was ist passiert?“ Ich kannte sie bereits sehr lange, da wir auf der gleichen Schule und auch für lange Zeit in derselben Klasse waren, aber noch nie war sie meinen Fragen so ausgewichen.
„Nein, es ist nichts passiert“, entgegnete sie nachdrücklich und stand auf. „Willst du auch einen Kaffee?“
Ich nickte und ließ mich auf meinen Schreibtischstuhl nieder. Er war gemütlich und schon von mir eingesessen. Normalerweise unterhielten wir uns hier locker, wenn keine Kunden ins Büro kamen. Aber ich spürte, dass Nina etwas belastete.
Als sie wiederkam, und mir meinen Kaffee auf den Tisch stellte, sah ich, wie verheult ihre Augen waren. Feuerrot und leer starrten sie auf den Boden, während Nina wieder zu ihren Akten zurückkehrte.
„Nina.“ Ich wollte behutsam vorgehen. „Ist es was mit Frank?“ Frank war ihr jahrelanger Lebensgefährte.
„Ja!“ Sie schrie es beinahe, und brach in Tränen aus. „Er hat mich betrogen!“
Ich starrte sie mit offenem Mund an. Natürlich war das keine Reaktion, die man sich von einer Freundin in einer solchen Situation wünschte – aber ich war wirklich geschockt. Frank war der einzige Mann, dem ich es niemals zugetraut hätte, fremdzugehen. Er war ein herzensguter Mensch, der sehr ehrlich auftrat, doch anscheinend war all das nur Fassade.
„Er hatte neben mir noch drei andere Frauen am Start.“ Nina hatte mittlerweile ihre Tränen getrocknet. Ich kam zu ihr und bat sie, aufzustehen. Ich nahm sie in den Arm und tröstete sie.

Am Mittag kam ein großer Andrang an Kunden, die neue Reisen buchen wollten. Von Ägypten bis Kanada war alles dabei, und ich hielt mit einer alten Dame einen kleinen Plausch. Sie wollte ihren Enkel in Australien besuchen. Sie berichtete mir, wie erfolgreich er dort war und wie stolz sie sei. Ich freute mich für sie, auch wenn ich sie gar nicht kannte. Alte Leute waren mir sowieso die liebsten Kunden. Sie waren geduldig und höflich, und sie kamen nicht hereingeschneit, um Forderungen zu stellen.
Als Nina und ich Feierabend hatten, gingen wir noch zu einem Schnellimbiss in der Fußgängerzone. Wir setzten uns an einen Tisch, der draußen stand, und aßen unsere Pommes Frites mit Mayonnaise und Ketchup, während die Sonne langsam hinter den Hochhäusern der Innenstadt verschwand. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich von ihm trenne.“ Nina seufzte schwer. „Ich habe ihn heute Morgen sofort rausgeworfen.“ Ich bemerkte, wie unglücklich sie deshalb war, und wollte sie aufheitern.
„Du findest sicher einen neuen Typen, der dich so sehr liebt, dass er dich nicht mit irgendwelchen Frauen betrügt!“ Es war schwer, ihr diese Aussage glaubhaft zu vermitteln, weil ich selbst nicht davon überzeugt war. Frank hatte Nina abgöttisch geliebt, und ihr jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Jetzt weiß ich auch, warum er das so perfekt beherrschte – er hatte Erfahrung.
„Das werde ich nie, und das weißt du genauso gut wie ich!“ Sie brüllte fast wieder. Natürlich wusste ich das, aber ich wollte die Stimmung nicht noch mehr senken, und begann, von Emma und der neuen Kollektion von H&M zu erzählen. Einfach nur, um sie abzulenken.
Nach einer Weile sah sie auf ihre Armbanduhr und stand auf. „Ich muss gehen, wir sehen uns morgen!“ Sie lächelte mir zum Abschied zu, was ich als gutes Zeichen interpretierte, und so brach ich mit gutem Gewissen nach Hause auf.

Es ist eine Geschichte über den tragischen Tod vieler junger Menschen bei der Loveparade. Im ersten Teil der Erzählung wird der normale Alltag der Familie geschildert, und anschließend, nach ihrem Tod, wird das Gleiche getan. Ich möchte diese Geschichte auf jeden Fall, wenn sie einmal fertig ist, an einen Verlag schicken, da ich es wirklich schrecklich finde, das so ein dummer Planungsfehler Menschenleben kostete. Eventuell möchte ich sogar Angehörige befragen, um das Buch noch lebensechter zu gestalten. Lob, Kritik, Anregungen? Vielen Dank dafür!

LG .tropicana Herz



Geschrieben von Nanni am 11.08.2011 um 16:07:

 

Ich würd den letzten Abschnitt unbedingt vom Text der Geschichte trennen, außerdem fände ich es besser wenn du nicht sagst "Ich schreibe das, dann passiert das und so schreibe ich weiter". Der Eindruck, schon den ganzen Inhalt zu kennen, hat bei mir jedenfalls die Spannung gewaltig zerschlagen. Probier dich doch mal an einem vernünftigen Klapptext, stell ruhig in den Mittelpunkt, dass es um die Massenpanik der Loveparade geht, aber nicht dass jemand der Hauptcharaktere stirbt und wie dass es danach "ganz langweilig" weitergeht - so klingt das jetzt für mich.

Für ein Buch würde ich bei ihrem Alltagsleben noch bisschen detaillierter werden, die Charaktere beschreiben, das Verhältnis zwischen ihrer Kollegin und ihr, und deren nun Ex-Freund u.s.w. damit man hier besser mitfühlen kann und die Loveparade nicht das einzig Spannende ist, sonst läufst du in Gefahr, dass die Leute nach dem 2. Abschnitt das Buch zuschlagen und sagen, jetzt wirds eh nicht mehr spannender. Vom Schreibstil her find ichs schön flüssig, der erste Absatz mit ihrer Tochter hat mir besser gefallen, er war einfach detailreicher und nicht so "schnell erzählend".

Das Thema ansich, ist natürlich interessant und ich bin gespannt, wie du die Idee weiter umsetzen wirst. Ich drück dir jedenfalls die Daumen, dass dir das gut gelingt (:
LG, Nanni

(Einmal hast du übrigens "Tier" statt Tür geschrieben, als ihre Tochter aus dem Haus kam. - Das nur so am Rande.)



Geschrieben von .tropicana am 11.08.2011 um 21:24:

 

Ja, das war nur, da meine Freundin den Text gelesen hat und fragte: 'Ja, und die Beschreibung vom Alltag war jetzt alles oder wie?' und daher. Damit man sich das besser vorstellen kann. Natürlich nimmt es die Spannung!
Okey, vielen Dank für die Tipps. Augenzwinkern
Da hast du wohl recht, mit dem zweiten Absatz. Hm. Ich überleg mir da mal was und halt dich/euch auf dem Laufenden. Wenn ich mal wieder Zeit hab zu schreiben, kommt's direkt hier rein.

LG



Geschrieben von Jaysen am 11.08.2011 um 22:02:

 

Also ich finde den Anfang gut, nur ist mir aufgefallen dass du sehr oft dass Wort 'Ich' am anfang eines Satzes stehen hast, und wenn dann zwei Sätze hintereinander mit Ich anfangen hört sich dass, meiner Meinung nach, nicht so toll an...
Ansonsten mag ich den Anfang mit Emma , und so (=



Geschrieben von .tropicana am 12.08.2011 um 10:22:

 

Ach du Schande, das ist mir ja gar nicht aufgefallen!
Das hört sich ja sowas von scheiße an!
Werd's die Tage mal überarbeiten.

Danke Zunge raus

LG


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