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Geschrieben von Soraya am 30.09.2005 um 15:42:
wow, super story!!
voll traurig und mitreisend, einfach nur geil!
schreib bitte schnell weiter!
Geschrieben von Namarie am 30.09.2005 um 15:54:
Was den Brief angeht, da kann ich den anderen nur zustimmen und sagen, lass es auf sich beruhen. irgendwann wirst du wahrscheinlich nen Geistesblitz haben und alles läuft von allene
Was den weiteren Teil angeht, find ich wirklcih klasse. Freu mich schon, wenn sie das Pferd besucht. liest sie denn das Tagebuch auch mal? und werden wir das irgendwie mitbekommen? *nase.in.alles.immer.reinstreckt*
Geschrieben von Kimmybabe am 30.09.2005 um 16:21:
Find ich wieder gut geschrieben. Auch besser, wie den Teil mit dem Brief. Aber der wird dir irgendwann schon noch einfallen, da bin ich mir sicher... freu mich wie immer schon auf die Fortsetzung...
Geschrieben von Rächtschraibfäler am 30.09.2005 um 18:40:
*schief* *heul* *tränen trockne* boah die is soo geil.....manno ich hab geheult.....bitte schreib weiter!!!
Geschrieben von Silver -w- am 30.09.2005 um 19:41:
waaa wie geil....
ich habe fast geheult weil es so hammer mäßig geil war-...+
Geschrieben von Jani am 30.09.2005 um 19:49:
ICh bin absolut gepletet und beeindruckt. Keine ahnung wie du das machst, aber es ist echt zum heulen! (im positiven sinne gemeint
)
Geschrieben von Kruemelkeks am 30.09.2005 um 19:59:
Jani nimmt mir mal wieder die Worte aus dem Mund... absolut genial die Story! Ganz schnell weiter! Sooo schön geschrieben... Ich liebe deinen Schreibstil
Geschrieben von Luthien am 30.09.2005 um 20:26:
Danke für die lieben Comments!!! Das freut mich. Hier ne kleine fortsetzung:
Es regnet in Strömen, als Valerie das Haus verlässt. Fröstelnd zieht sie die Schultern hoch um den weichen Schal noch enger an sich zu schmiegen. Ihr Herz schlägt ungewöhnlich schnell und ihre Beine fühlen sich irgendwie weich und schwabbelig an. Unsicher öffnet sie den Schirm und geht zur Bushaltestelle. Dort erwischt sie gerade noch den nächsten Bus. Zwanzig Minuten muss sie nun durch die graue Landschaft fahren. Seit drei Jahren hat sie diese Buslinie schon nicht mehr genommen. Doch sie erkennt alles wieder. Jede noch so winzige Kleinigkeit drängt sich ihr wieder auf, Bilder von früher, als sie diesen Weg beinahe täglich gefahren ist, ziehen an ihr vorbei. Eine tiefe Traurigkeit überkommt sie plötzlich und eine unsagbare Unsicherheit nagt an ihr. Sie ist sich nun nicht mehr sicher, ob es wirklich eine gute Idee war, wieder raus zum Stall zu fahren. Aber nun gibt es kein Zurück mehr. Sie hat sich dazu entschieden und sie ist es Lana schuldig.
„Es ist lange her“, flüstert sie sich selber Mut zu, als sie aus dem Bus steigt. Es regnet nur noch heftiger als in der Stadt. Mit sicheren Schritten geht Valerie den aufgeweichten Trampelpfad in Richtung Reitstall entlang. Wie könnte sie ihn jemals vergessen? Wie oft ist sie früher über diesen Weg zum Gestüt gelaufen, voll Ungeduld und Vorfreude auf einen schönen Nachmittag mit ihrer Samira. Heute ist es ganz anders. Mit jedem saftigen Schritt, der sie näher zum wohlbekannten Stall bringt, flattert ihr Herz mehr, ihr Atem geht schneller und ihre Beine drohen ihr den Dienst zu versagen.
„Jetzt reiss dich schon zusammen, Valerie“, tadelt sie sich selbst und betritt schliesslich wieder festen Betonboden. Was nun? Soll sie sich bei jemandem melden? Oder einfach direkt zu Milui gehen? Ob er noch dieselbe Box hat, wie vor drei Jahren? Was sich wohl alles verändert hat?
Noch während sie unschlüssig in der Einfahrt des Hofes steht, zeichnet sich eine undeutliche Gestalt in der Boxengasse ab, die schnell näher kommt. Valerie erkennt einen Jungen. Gross gewachsen, mit blondem, krausem Haar und dreckigen Kleidern. Auch wenn es schon lange her ist, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hat, weiss sie doch sofort, um wen es sich handelt. Regungslos bleibt sie unter ihrem schwarzen Schirm mitten auf dem Platz im Regen stehen. Der Junge verlangsamt seine Schritte, starrt das Mädchen ungläubig an, bis er schliesslich vor ihr steht.
„Valerie? Valerie Schwerter?“, fragt er völlig verblüfft und starrt sie weiter unverwandt an. Ein schüchternes Lächeln huscht über das Gesicht des Mädchens.
„Mensch, das gibt’s doch nicht! Wie lange mag es her sein, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben“, ruft der Krauskopf noch immer völlig geplättet aus. Anscheinend einer plötzlichen Eingebung folgend umarmt er Valerie stürmisch und blickt sie dann wieder sprachlos an.
„Ich freu mich auch, dich zu sehen, Yanek“, meint Valerie lächelnd.
„Das ist ja ewig her. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich mal wiedersehe. Was machst du den plötzlich wieder hier?“, will Yanek nun wissen. Das Lächeln auf Valeries Gesicht erblasst.
„Ich habe geschworen, nie wieder etwas mit Pferden zu tun zu haben, als das mit Samira passiert ist“, erklärt Valerie ernst. Der Junge nickt nachdenklich, scheint sich zu erinnern, was damals passiert ist.
Die Wetterverhältnisse waren ganz ähnlich gewesen, wie heute, nur vielleicht noch etwas heftiger. Der Boden war völlig aufgeweicht, es stürmte wie verrückt und das schon seit Tagen. Valerie war es endgültig Leid auf besseres Wetter zu warten und hatte beschlossen, einen kleinen Ausritt zu wagen. Yanek hatte sich bereit erklärt mit zu reiten und so sind sie losgeritten. Valerie auf ihrer braven, braunen Araberstute Samira, Yanek auf dem Haflingerhengst Louisiana. Es sollte kein langes Unternehmen. Nur die lange Wiesenstrecke hin und wieder zurück, damit die Pferde etwas Bewegung hatten. Keiner der beiden konnte da wissen, welch verheerende Folgen dieser harmlose Ritt nach sich ziehen würde.
Geschrieben von Silver -w- am 30.09.2005 um 20:34:
cool weiter
Geschrieben von Dawn am 30.09.2005 um 20:48:
Richtig schön. Zwar sehr traurig, aber sehr fesselnd. Man kann richtig mit ihr mitfühlen. Gefällt mir
Geschrieben von Tiggin am 30.09.2005 um 21:03:
²Silver -w-:
Spam in der Schreibecke
Hast du dir das schonmal durchgelesen?
Find die Geschichte echt schön, toll geschrieben und ich war bei den ersten Teilen kurz vorm heulen, ganz ehrlich Oo
Passiert mir eigentlich nicht wirklich oft (ich glaub noch nie *grübel*), da muss sie also wirklich toll sein
Geschrieben von Susanne am 30.09.2005 um 22:23:
wow! Echt total cool und mitreißend!
Man kann sich super in die Story reinversetzen!
Richtige Kritik hab ich net, dafür hab ich zu wenig... ähm.. erfahrung?
Naja egal, die Story is auf jeden Fall toll
Geschrieben von *Schnuggi* am 02.10.2005 um 12:56:
Okee, dann versuch ich mal ne etwas längere "Kritik" auf die Beine zu stellen. Ich finde, du hast einen sehr angenehmen Schreibstil. Das heisst, es hört sich nicht gekünstelt oder aufgesetzt an. man hat einfach das GEfühl, dass das du bist, die da schreibt. Irgendwie mit so emotion und doch ist es klar und deutlich. keine komischen Vergleiche oder sinnloses gequatsche um es länger zu machen. Einfach so, was nötig ist, nur das, was es wirklich ausmacht. Find ich echt toll.
Und was ich unbedingt noch sagen wollte, ich liebe die Flashbacks! Ich finde, das bringt so ne Art Tiefe rein, irgendwie versteht man es viel besser, was in den Köpfen der Beteiligten vorgeht. Ich finde es auch gut, dass du nicht alles auf einmal bringst, das wäre zu viel. So das stückchenweise macht es irgendwie viel spannender!
Jetzt kommt noch einkleiner negativpunkt und zwar das mit der direkten REde. Man merkt zwar, dass du es manchmal etwas versuchst abwechslungsreich zu gestalten, aber es ist sehr häufig dieses typische schema, wie man es in der schule lernt.
"....", sagte ....
"....", antwortete...
....
Weisst du, wie ich meine?
Aber wie du oben wohl lesen konntest, finde ich deine GEschichte im Grossen und Ganzen wirklich klasse! Und ich freu mich schon auf mehr!
Geschrieben von Namarie am 02.10.2005 um 13:29:
Zitat: |
Original von *Schnuggi*
Okee, dann versuch ich mal ne etwas längere "Kritik" auf die Beine zu stellen. Ich finde, du hast einen sehr angenehmen Schreibstil. Das heisst, es hört sich nicht gekünstelt oder aufgesetzt an. man hat einfach das GEfühl, dass das du bist, die da schreibt. Irgendwie mit so emotion und doch ist es klar und deutlich. keine komischen Vergleiche oder sinnloses gequatsche um es länger zu machen. Einfach so, was nötig ist, nur das, was es wirklich ausmacht. Find ich echt toll.
Und was ich unbedingt noch sagen wollte, ich liebe die Flashbacks! Ich finde, das bringt so ne <a href="http://www.ntsearch.com/search.php?q=Art&v=55">Art</a> Tiefe rein, irgendwie versteht man es viel besser, was in den Köpfen der Beteiligten vorgeht. Ich finde es auch gut, dass du nicht alles auf einmal bringst, das wäre zu viel. So das stückchenweise macht es irgendwie viel spannender!
Jetzt kommt noch einkleiner negativpunkt und zwar das mit der direkten REde. Man merkt zwar, dass du es manchmal etwas versuchst abwechslungsreich zu gestalten, aber es ist sehr häufig dieses typische schema, wie man es in der schule lernt.
"....", sagte ....
"....", antwortete...
....
Weisst du, wie ich meine?
Aber wie du oben wohl lesen konntest, finde ich deine GEschichte im Grossen und Ganzen wirklich klasse! Und ich freu mich schon auf mehr! |
Was soll ich denn jetzt noch gross sagen? Schnuggi du hast mir die Worte aus dem mund genommen!!! Ich habe keine ahnung, was ich dem noch hinzufügen sollte!
Geschrieben von Luthien am 02.10.2005 um 14:38:
Freut mich, dass es euch gefällt und das es euch berührt! Macht mich irgendwie stolz.
Aber auch etwas misstrauisch. Gibts denn (ausser meiner direkten Rede) nichts, was ihr vielleicht kritisieren könntet, was ich besser machen könnte? irgendwelche fehler. irgendwie habe ich das gefühle, dass der geschichte etwas fehlt...
Jedenfall kommt hier mal ein weiterer kleiner Teil rein:
Ein gequälter Ausdruck liegt auf dem Gesicht des Jungen. Auch für ihn ist es kein Vergnügen an diesen Tag zurück zu denken. Die grössten Todesängste seines Lebens hat er damals durchstehen müssen. Stundenlange Ungewissheit, ob seine Freundin den schlimmen Unfall überleben würde und dann musste er ihr die Nachricht vom Tod ihres Pferdes bringen. Und dann hat er sie nie wieder gesehen, bis sie heute plötzlich vor ihm steht, frierend im Regen und ihn als erstes an diesen schlimmen Tag erinnert, für dessen Geschehnisse er sich immer die Schuld gegeben hat.
„Es war nicht deine Schuld, Yanek“, erklärt Valerie ernst. Yanek schaut sie verblüfft an. „Das wollte ich dir schon die ganzen letzten drei Jahre sagen. Es ist nicht deine Schuld, was damals passiert ist. Meine Fernbleiben hat nichts mit dir zu tun gehabt. Ich konnte einfach nicht wiederkommen, ich konnte es nicht ertragen, wieder bei den Pferden zu sein, ohne dass Samira hier ist. Ich konnte nicht hier bei dir sein, Yanek. Ich hatte solche Angst, dich danach wieder zu sehen, habe ich dich doch dazu überredet, mit mir zu reiten“, schluchzt Valerie und versucht gleichzeitig die Tränen weg zu wischen. Yanek steht hilflos vor ihr und kann es nicht begreifen. Drei Jahre lang hat sich das Mädchen kein einziges Mal blicken lassen, hat noch nicht einmal ihre Sachen oder die Sachen ihres Pferdes abgeholt und jetzt steht sie plötzlich weinend auf dem Hofplatz.
„Du musst nicht weinen. Keiner kann etwas für diesen Unfall, Vally“, versucht er sie zu beruhigen. Langsam beruhigt sich das Mädchen und schenkt ihrem Gegenüber ein warmes Lächeln.
„Na siehst du, alles wieder in Ordnung. Aber darf ich trotzdem fragen, wieso du jetzt plötzlich, nach so langer Zeit, wieder hier her kommst?“, sagt Yanek ebenfalls lächelnd.
„Kannst du dir das nicht denken, nachdem was vor so kurzer Zeit erst passiert ist?“, fragt Valerie, wischt sich die letzten Tränen aus dem Gesicht und versucht ihr Make-up wieder zu richten.
„Milui?“ – Valerie nickt schniefend.
„Er ist schwierig geworden, seit Lana nicht mehr regelmässig vorbei gekommen ist“, erklärt Yanek auf dem Weg durch die Boxengasse.
„Machst du ihr oder mir einen Vorwurf, dass sich niemand mehr um Milui gekümmert hat, seit sie tot ist?“, fragt Valerie kühl. Yanek schaut sie erschrocken an. „Ich will niemandem die Schuld geben, Vally, wirklich nicht. Aber es ist nicht erst seit ihrem Tod, dass sich niemand wirklich um das Pferd kümmert. Ich habe es versucht, habe aber kaum Zeit dafür. Ausserdem ist Milui ein Sonderfall, er lässt kaum jemanden an sich ran.“
„Was meinst du damit? Sie ist schon vorher nicht mehr regelmässig gekommen?“ Valerie bleibt abrupt stehen. Yanek schaut sie zweifelnd an.
„Ich weiss nicht genau, was mit ihr los war. Sie war so verändert, so unzugänglich“, versucht er zu erklären.
„Geht es denn noch ungenauer?“, hackt Valerie ungeduldig nach.
„Ich hatte einfach das Gefühl, dass es irgendetwas gab, was sie völlig aus der Bahn geworfen hat. Sie ist unregelmässig gekommen, war bei der Arbeit nicht konzentriert dabei, hat Milui vernachlässigt. Lauter kleine Dinge. Im Nachhinein fühle ich mich schuldig. Wenn man betrachtet, was passiert ist, hätte ich mit jemandem darüber sprechen sollen“, gibt Yanek zerknirscht zu. Valerie senkt den Blick und geht schliesslich weiter, bis sie vor der Box steht, neben der früher Samira stand. Valeries Herz setzt erst einen Schlag aus, bevor es dann richtig loslegt. Mit zitternden Knien tritt sie an die Boxentüre heran.
Geschrieben von Kimmybabe am 02.10.2005 um 14:47:
Super, wie immer. Besonders, dass hier auch langsam aufgedeckt wird, warum sie das gemacht hat... bzw. halt ein paar Anzeichen wieder aufgedeckt werden... find ich toll und macht die Geschichte weiterhin spannend... Auch hast du dich, wie ich finde, in dem Teil mit der wörtlichen Rede verbessert... ist mir irgendwie aufgefallen... mit dem "...", schluchzte sie und so... find ich gut... *Daumen hochstreck*
Geschrieben von Fiepmatz am 03.10.2005 um 13:03:
Habs jetzt auch mal gelesen und finde es echt schön! Du hast nen tollen schreibstil! Hab eigentlich keine Kritik. Klar ist nicht alles perfekt, aber es sind wirklich nur kleine Fehler. Finde auch die Handlung schön, wobei ich noch auf einen Höhepunkt warte. Aber das kommt sicher noch. Hoff die Story geht nicht unter!Schreib weiter!
Geschrieben von Jani am 04.10.2005 um 17:24:
Ein Höhepunkt war ja schon, als Lana sich umgebracht hat. Ich bin so total gespannt, was denn jetzt noch passiert. Schliesslich ich Lana tot und alles schon passiert. Normalerweise kommt so ein Höhepunkt ja immer erst am Schluss.
Ich find es aber klasse, wie du schreibst. ES ist so richtig mitreissend und sooooooo traurig!
Geschrieben von Namarie am 04.10.2005 um 18:41:
Hach ist das spannend. langsam dringt licht in die Sache und alles wird irgendwie klarer. es ist einfach sooo spannend. Weiss net, was ich noch dazu sagen soll. Ausser, dein schreibstil ist wirklich toll. du schreibst wirklich genial! Freu mich auf mehr!
Geschrieben von Luthien am 04.10.2005 um 18:43:
Vielen Dank für die lieben kommentare, hört man natürlich gerne!
Drinnen steht der schöne Apfelschimmel ihrer Schwester. Neugierig reckt er der fremden Person die Nase entgegen. Zitternd vor Aufregung hebt Valerie langsam die Hand und berührt sanft Miluis Nüstern. Dieser schnaubt laut und wirft den Kopf nach hinten.
„Ich sagte doch, dass er unzugänglich geworden ist“, wiederholt Yanek kopfschüttelnd. Valerie lässt ihren Blick auf dem Pferd ruhen, entschlisst sich dann, die Türe zu öffnen.
„Sei vorsichtig“, warnt der Junge hinter ihr. Valerie ignoriert ihn und schlüpft zu Milui in die box hinein. Der Wallach tänzelt unruhig hin und her. Unbeirrt nähert sich Valerie dem stolzen Tier, Yanek schaut gebannt zu. Dann hat die Hand des Mädchens seinen Hals erreicht. Leise und ausser für Milui für alle unverständlich flüstert sie leise Worte während sie behutsam näher tritt. Yanek hält den Atem an. In den letzten Wochen hat ihm dieses Pferd nichts als Ärger und Schmerzen gebracht. Völlig unberechenbar hat er Leute abgewiesen oder gar angegriffen. Würde es bei diesem Mädchen anders sein? Yanek sieht keinen Anlass, für eine Verhaltensänderung.
„Das war unglaublich!“, bekräftigt Yanek nochmals, während er mit Valerie zur Bushaltestelle geht, „er hat niemanden an sich rangelassen, ohne ihn gleich umzurennen. Nicht seit Lana... na du weisst schon.“ Valerie wirft ihm einen kühlen Blick zu. Natürlich weiss sie. „Ihm fehlt Lana, das ist alles“, erwidert Valerie. Die beiden setzten sich auf die Bank im Glashäuschen der Haltestelle.
„Du musst ihn an sie erinnert haben“, überlegt Yanek laut, „oder er erinnert sich an Samira, die beiden waren unzertrennlich.“ Valerie wendet den Kopf ab und schweigt. Was sollte sie auch sagen. Milui hat sie an sich rangelassen. Eine Weile hatte sie bei ihm in der Box gestanden, dann hatte Valerie den Wallach hinausgeführt, ihn geputzt und mit ihm gesprochen. Yanek kann es noch immer nicht glauben, wie gut sich Milui aufgeführt hat.
„Kommst du wieder?“, fragt Yanek, gerade als der Bus in Sicht kommt. Valerie hebt erschrocken den Blick und betrachtet den Jungen unverwandt. Dann nickt sie langsam und steht auf. „Ich bin es Lana schuldig, sie hat mich darum gebeten.“ Yanek erhebt sich ebenfalls und tritt neben sie. Der Bus kommt zum stehen. „Es war schön dich wieder zu sehen“, sagt er lächelnd und umarmt das überraschte Mädchen. Die Türe geht auf und Valerie macht sich daran, die Stufen zu erklimmen. Dann dreht sie sich noch einmal um. „Ja, das war es.“ Die Tür schliesst sich vor Yaneks Nase und der Bus rauscht in den Regen davon.
„Wo warst du heute?“ Alexander Schwerter schaut seine durchnässte und halb erfrorene Tochter streng an. Es ist bereits seit zwei Stunden dunkel. Valerie hat am Morgen weder eine Nachricht hinterlassen, noch hat sie am Nachmittag angerufen. Jetzt steht sie mit roten Wangen und glänzenden Augen im Eingangsflur.
„Ich war weg“, murmelt sie und der glückliche Ausdruck auf ihrem Gesicht erlischt. Nun gesellt sich auch Melanie dazu und blickt streng auf ihre Tochter, die gerade dabei ist, sich die Schuhe auszuziehen.
„Ja, das haben wir bemerkt. Aber wo warst du? Sollst du uns nicht immer bescheid geben, wenn du weg gehst? Wir machen uns sonst sorgen“, greift Melanie in das Gespräch ein. Valerie blickt ihre Eltern trotzig an.
„Nur weil das mit Lana passiert ist, braucht ihr nicht das Gefühl zu haben, ihr müsstet mich einsperren oder mich ständig überwachen“, keift sie wütend zurück, „ich bin nicht wie sie, ich werde mich in keinen Abgrund stürzen, ich werde selbst fertig, mit meinen Gefühlen. Ich werde es nicht wagen, eine solch egoistische Tat durchzuziehen!“
„Sprich nicht so abschätzig von deiner Schwester. Sie war nicht egoistisch, nur verzweifelt“, widerspricht Melanie den Tränen nahe.
„Natürlich hat sie es nicht für sich selbst getan“, setzt sich Valerie zur Wehr, „sie war ja immer der kleine Engel. Aber sagt mir, wieso hat sie sich dann umgebracht? Euch zuliebe? Ich sag euch wieso, weil sie es einfach nicht mehr ertragen hat, weil ihre Probleme einfach zu gross wurden, ihr über den Kopf gewachsen sind. Sie wurde nicht mehr fertig damit und wollte sich selbst davon erlösen. Sie hat nicht an uns gedacht, sie hat nicht an mich gedacht, nur an sich selbst! Aber das wollt ihr ja nicht sehen. Ihr wolltet es nie sehen, dass es Lana immer schlechter ging, dass sie in miese Kreise geraten ist. Ihr habt immer nur die begabte, erfolgreiche kleine Tochter gesehen, die einfach perfekt war. Aber das war sie nicht. Und wenn sie euch auch nur im geringsten am Herzen gelegen wäre, hättet ihr das bemerkt!“ Die Eltern schauen ihre noch lebende Tochter entgeistert an. Valerie ist den Tränen nahe. Ein grosser Kloss hat sich in ihrem Hals breit gemacht, ihr Gesicht scheint zu brennen. Aber sie will jetzt nicht weinen, nicht in diesem Moment, wo sie es endlich rauslassen kann. Nicht jetzt, wo sie ihren Eltern endlich offen und ehrlich gegenübertreten kann.
„Willst du uns die Schuld an ihrem Tod geben?“, fragt Alexander matt, „ist es das, was du damit sagen willst? Ist es unsere Schuld, dass sie nicht mit uns geredet hat, dass wir nicht bemerkt haben, wie schlecht es ihr geht?“ Valerie spürt, wie jede einzelne Faser ihres Körpers zu rebellieren beginnt, als würde sie gleich explodieren.
„Nein, ich gebe euch nicht die Schuld, dass Lana geschwiegen hat. Aber ich werfe euch vor, dass ihr es nicht sehen wolltet. So oder so, niemand hätte es verhindern können, ich kenne Lana, denn mit mir hat sie geredet“, sagt Valerie bebend vor Anstrengung ruhig zu bleiben, „mit mir hat sie geredet.“ Herr und Frau Schwerter schauen sich betroffen an. Ein schweres Schweigen herrscht in der Wohnung, das alles zu erdrücken droht. Dann atmet Valerie erleichtert aus. Sie weiss nicht genau wieso, aber irgendwie fühlt sie sich jetzt besser. „Sie war egoistisch, das wisst ihr genau. Es hat sie einen Scheiss gekümmert, was aus uns Zurückgebliebenen wird“, erklärt Valerie noch einmal. Diesmal ist sie viel ruhiger, atmet langsam und gleichmässig. Der Kloss in ihrem Hals ist verschwunden, ein schweres Gewicht von ihrer Brust genommen. Langsam entspannt sie sich und zurück bleibt eine grosse Leere und Müdigkeit, die das Mädchen zu übermannen drohen. „Es hat sie nicht interessier, weder bei ihrem ersten Versuch, noch bei ihrem Todessturz.“
Valerie drängelt sich an ihren Eltern vorbei ihrem Zimmer entgegen. Sie weiss, dass beide sie entsetzt anstarren, wissen wollen, was sie damit meint. Aber Valerie hat nicht die Kraft darüber zu sprechen, nicht jetzt, nicht heute und vor allem nicht zu aller erst mit ihren Eltern. Kurz bevor sie die Zimmertür erreicht dreht sie sich noch einmal zu ihren erstarrten Eltern um. „Ich war übrigens heute bei Milui.“ Dann schliesst sie behutsam die Türe hinter sich, dreht den Schlüssel zweimal im Schloss und schmeisst sich der Länge nach aufs Bett.
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