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Geschrieben von theroorback am 01.10.2008 um 21:47:

  Gedichte

Da mir die Area "Poesie" immerzu aufs Neue mit peinlicher Offensichtlichkeit beweist, dass ihr keine Ahnung von großer Lyrik habt...(sonst könntet ihr nicht, ihr könntet es einfach nicht ... den Post mit den dort vorzufindenden Inhalten abschicken und es ernst meinen....)



BALLADE DES ÄUSSEREN LEBENS (Hugo von Hofmannsthal)

Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen,
Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,
Und alle Menschen gehen ihre Wege.

Und süße Früchte werden aus den herben
Und fallen nachts wie tote Vögel nieder
Und liegen wenig Tage und verderben.

Und immer weht der Wind, und immer wieder
Vernehmen wir und reden viele Worte
Und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.

Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte
Sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,
Und drohende, und totenhaft verdorrte ...

Wozu sind diese aufgebaut? und gleichen
Einander nie? und sind unzählig viele?
Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?

Was frommt das alles uns und diese Spiele,
Die wir doch groß und ewig einsam sind
Und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?

Was frommts, dergleichen viel gesehen haben?
Und dennoch sagt der viel, der »Abend« sagt,
Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt

Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.


Ich mag Terzinen und ich mag den snobistischen Gedanken smile


Nochmal explizit: Ihr sollt auch bereits existierende Gedichte posten



Geschrieben von *Calvinia* am 01.10.2008 um 23:08:

 

Schöne Ballade fröhlich Hier mal ein Gedicht, das wir vor kurzem im Deutschunterricht analysieren mussten:


Friedrich v. Schiller - Die Größe der Welt


Die der schaffende Geist einst aus dem Chaos schlug,
Durch die schwebende Welt flieg' ich des Windes Flug,
Bis am Strande
Ihrer Wogen ich lande,
Anker werf', wo kein Hauch mehr weht,
Und der Markstein der Schöpfung steht.

Sterne sah ich bereits jugendlich auferstehn,
Tausendjährigen Gangs durchs Firmament zu gehn,
Sah sie spielen
Nach den lockenden Zielen;
Irrend suchte mein Blick umher,
Sah die Räume schon - sternenleer.

Anzufeuern den Flug weiter zum Reich des Nichts,
Steur' ich mutiger fort, nehme den Flug des Lichts,
Nebelicht trüber
Himmel an mir vorüber,
Weltsysteme, Fluten im Bach,
Strudeln dem Sonnenwanderer nach.

Sieh, den einsamen Pfad wandelt ein Pilger mir
Rasch entgegen - "Halt an! Waller, was suchst Du hier?"
""Zum Gestade
Seiner Welt meine Pfade!
Segle hin, wo kein Hauch mehr weht,
Und der Markstein der Schöpfung steht!""

"Steh! Du segelst umsonst - vor Dir Unendlichkeit!"
""Steh! Du segelst umsonst - Pilger, auch hinter mir! -
Senke nieder,
Adlergedank', Dein Gefieder!
Kühne Seglerin, Phantasie,
Wirf ein mutloses Anker hier."



Liebe Grüße,
Calvinia



Geschrieben von Luca am 27.10.2008 um 22:23:

 

Die unmögliche Tatsache
(Christian Morgenstern)

Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.

"Wie war" (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
"möglich, wie dies Unglück, ja -:
dass es überhaupt geschah?

Ist die Staatskunst anzuklagen
in bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?

Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, - kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht -?"

Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:
"Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil", so schließt er messerscharf,
"nicht sein kann, was nicht sein darf


Füge mein Lieblingsgedicht an:

Der Panther
(Rainer Maria Rilke)

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.



Geschrieben von Hornisse am 31.10.2008 um 10:36:

 

Nur weil es grade so aktuell ist...

Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.

Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen - echt famos!

Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.

Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.

Trifft's hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!

Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.

Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.

Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und - das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!

Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.

Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.

Kurt Tucholsky, 1930, veröffentlicht in "Die Weltbühne"



Geschrieben von Schaufelii :3 am 04.01.2009 um 19:37:

 

Der Panther ist toll <3



Geschrieben von Judithchen am 13.01.2009 um 15:27:

 

Das Lied vom Anstreicher Hitler

Der Anstreicher Hitler
Sagte: Liebe Leute, laßt mich ran!
Und er nahm einen Kübel frische Tünche
Und strich das deutsche Haus neu an.
Das ganze deutsche Haus neu an.

Der Anstreicher Hitler
Sagte: Diesen Neubau hat's im Nu!
Und die Löcher und die Risse und die Sprünge
Das strich er einfach alles zu.
Die ganze Scheiße strich er zu.

O Anstreicher Hitler
Warum warst du kein Maurer? Dein Haus
Wenn die Tünche in den Regen kommt
Kommt der Dreck drunter wieder raus
Kommt das ganze Scheißhaus wieder raus.

Der Anstreicher Hitler
Hatte bis auf Farbe nichts studiert
Und als man ihn nun eben ran ließ
Da hat er alles angeschmiert.
Ganz Deutschland hat er angeschmiert.

(1933) Berthold Brecht



Geschrieben von Billy-v-Andrew am 13.01.2009 um 19:14:

 

Der andere Mann


Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen.
Er plaudert. Er ist zu dir nett.
Er kann dir alle Tenniscracks nennen.
Er sieht gut aus. Ohne Fett.
Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an...
Dann tritt zu euch beiden dein Mann.

Und du vergleichst sie in deinem Gemüte.
Dein Mann kommt nicht gut dabei weg.
Wie er schon dasteht - du liebe Güte!
Und hinten am Hals der Speck!
Und du denks bei dir so: "eigentlich ...
Der da wäre ein Mann für mich ! "

Ach, gnädige Frau! Hör auf einen wahren
Und guten alten Papa!
Hättst du den Neuen: in ein, zwei Jahren
Ständest du ebenso da!
Dann kennst du seine Nuancen beim Kosen;
Dann kennst du ihn in Unterhosen;
Dann wird er satt in deinem Besitze;
Dann kennst du alle seine Witze.
Dann siehst du ihn in Freude und Zorn,
Von oben und unten, von hinten und vorn ...
Glaub mir: wenn man uns näher kennt,
Gibt sich das mit dem happy end.
Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier ...
Und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer.
Beurteil uns nie nach den besten Stunden.

Und hast du einen Kerl gefunden,
Mit dem man einigermaßen auskommen kann:
dann bleib bei dem eigenen Mann!



Kurt Tucholsky



toll, oder? großes Grinsen



Geschrieben von Knopfloch am 10.03.2009 um 21:30:

Daumen hoch!

Robert Gernhardt:
Immer

Immer einer behender als du

Du kriechst
Er geht
Du gehst
Er läuft
Du läufst
Er fliegt:

Einer immer noch behender.

Immer einer begabter als du

Du liest
Er lernt
Du lernst
Er forscht
Du forschst
Er findet:

Einer immer noch begabter.

Immer einer berühmter als du

Du stehst in der Zeitung
Er steht im Lexikon
Du stehst im Lexikon
Er steht in den Annalen
Du stehst in den Annalen
Er steht auf dem Sockel:

Einer immer noch berühmter.

Immer einer betuchter als du

Du wirst besprochen
Er wird gelesen
Du wirst gelesen
Er wird verschlungen
Du wirst geschätzt
Er wird gekauft:

Einer immer noch betuchter.

Immer einer beliebter als du

Du wirst gelobt
Er wird geliebt
Du wirst geehrt
Er wird verehrt
Dir liegt man zu Füßen
Ihn trägt man auf Händen:

Einer immer noch beliebter.

Immer einer besser als du

Du kränkelst
Er liegt darnieder
Du stirbst
Er verscheidet
Du bist gerichtet
Er ist gerettet:

Einer immer noch besser
Immer
Immer
Immer.



Geschrieben von Judithchen am 12.05.2009 um 14:18:

 

Ich wollte nur noch sagen, ich liebe "Ballade des äußeren Lebens" besonders bei der letzten Strophe rieselt so ein eigenartiger Schauer über meinen Rücken, echt abnorm und fantastisch...



Geschrieben von Luca am 31.08.2009 um 23:51:

 

Schattenküsse, Schattenliebe
Schattenleben - wunderbar!
Glaubst du, Närrin, alles bliebe
Unverändert, ewig wahr?

Was du lieblich fest besessen
Schwindet hin, wie Träumerein.
Und die Herzen, die vergessen.
Und die Augen schlafen ein.

Heinrich Heine



Geschrieben von theroorback am 01.09.2009 um 01:46:

 

Ecce Homo

Ja! Ich weiß, woher ich stamme!
Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr' ich mich.
Licht wird Alles, was ich fasse,
Kohle Alles, was ich lasse:
Flamme bin ich sicherlich.

Friedrich Nietzsche



Geschrieben von Luca am 02.09.2009 um 23:44:

 

- Das Fräulein Stand Am Meere -

Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.

Mein Fräulein! sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.

Heinrich Heine



Geschrieben von Macbeth am 26.09.2009 um 18:28:

 

#



Geschrieben von Hornisse am 27.09.2009 um 11:13:

 

Der Baum hat Äste
das ist das Beste!
Denn wär er kahl
wärs nur ein Pfahl!



Geschrieben von euphoria am 03.10.2009 um 15:30:

 

Das Leben birgt auch gute Stunden,
hab Fischaugen am Strand gefunden.
Werd' sie mir auf die Augen näh'n,
kann dich nun unter Wasser seh'n.
Till Lindemann



Geschrieben von Luca am 26.12.2009 um 00:45:

 

Nur zwei Dinge

Durch so viel Form geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
- ob Sinn, ob Sucht, ob Sage -
dein fernbestimmtes: Du mußt.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.

Gottfried Benn


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